Guten Tag

 

Ich heiße Mohamad Alabrash und ich komme aus Syrien.
Meine Geschichte hat den Titel
,,Mach Weiter“

 

Ich habe vor acht Monaten angefangen Deutsch zu lernen. Ich finde Deutsch ziemlich kompliziert, denn es gibt drei bestimmte Artikel.

 

Der Rede? Die Rede? Das Rede?

 

Aber das ist heute nicht unser Thema.

Die Geschichte beginnt 2011, als in Syrien der Krieg ausbrach. Es war uns verboten auf die Straße, oder zur Schule zu gehen und wir lebten lange Zeit in Angst.
Dann beschloss mein Vater, dass wir nach Libyen gehen. Auch dort war die Situation nicht sicher, aber viel besser als in Syrien. Meine Geschwister und ich sind in Libyen aufgewachsen. Ich habe die Grundschule, dann die Mittelschule und die Universität besucht. Die ersten Jahre in Libyen waren sehr schwer, weil wir keine Freunde hatten und niemanden kannten. Wir mieteten eine kleine Wohnung und meine Familie und ich lebten dort. Mein Vater arbeitete den ganzen Tag, deshalb sahen wir ihn kaum. Ich sagte mir immer:

Mach weiter!“

 Und ich ging zur Universität und studierte Onlinemarketing und IT. Ende 2021 erlitt ich einen Schlag ins Gesicht. Dadurch verlor ich die Sehkraft auf dem linken Auge. Ich sagte mir:

„Mach weiter!“

 Ich habe viele Berichte über meine Augen in arabische Länder geschickt. Alle sagten mir, dass es keine Behandlung gibt. Alle Ärzte sagten mir, dass ich mein Studium stoppen muss. Meine Freundin hat mich verlassen, weil ich blind werden würde und ich blieb zwei Monate ohne Arbeit zuhause. Ich hatte zwei Möglichkeiten. Entweder ich bleibe bei meiner Familie in Libyen und erblinde vielleicht völlig, oder ich nehme den Seeweg nach Italien, auf dem ich sterben könnte. Ich sagte mir:

„Mach weiter!“

 Ich entschied mich, über Italien nach Deutschland zu reisen. Dort könnte man meine Augen sicherlich behandeln. Ein besseres Leben und ein Neuanfang. Ich gab einem Mann Geld für eine Bootsfahrt nach Italien. Er sagte mir, ich solle ein oder zwei Monate warten, bis das Boot fertig ist. Ich habe acht Monate gewartet und dachte, mein Geld wäre weg. Ich habe meine Kamera und meinen Laptop dafür verkauft. Doch dann kam der Tag der Abreise. Nachts sehe ich nicht gut. Ein Auto brachte mich zum Strand. Die Leute halfen mir, an Bord eines kleinen Bootes zu gehen, mit dem wir zu einem größeren Boot gebracht wurden Die Reise dauerte sechs Tage. Die letzten zwei Tage gab es kein Wasser und Essen. Vorher hatte jeder drei Datteln am Tag. Auf dem Boot waren 680 Menschen. Das haben uns die Italiener bei unserer Ankunft gesagt. Leider sind einige Menschen bei der Reise gestorben. Ich saß zwei Wochen im Gefängnis. Dann steckten sie mich in ein Camp. Ich versuchte am ersten Tag zu fliehen, aber aus meiner Dummheit fragte ich die Polizei, wo der Bahnhof sei und sie überwachten mich. Am zweiten Tag fuhr ich für 120 Euro von Süditalien nach Mailand. Dort kaufte ich für 220 Euro ein Busticket nach Deutschland. Aber der Busfahrer ließ mich nicht mitfahren, weil Ich keine Papiere hatte. Ich kaufte für 30 Euro Internetzugang. Von meinem Geld hatte ich jetzt noch 80 Euro übrig. Bei Google fand ich eine Zugverbindung von Mailand über die Schweiz nach Köln. Ich fuhr los. Ohne Ticket. Ich versteckte mich neben einer Familie, im Badezimmer, in der Cafeteria. Ich sprach mit Fremden Leuten und tat verrückte Dinge, um den Kontrolleuren zu entkommen. Die meiste Zeit hatte ich einfach nur Glück. Dann kam ich in Köln an. Ich aß etwas in einem Restaurant. Dann ging ich zu einem Polizisten. Das Gespräch verlief ungefähr so: “Hallo, sprechen sie Englisch?“. „Ja!“. „Ich komme aus Syrien und bin illegal nach Deutschland eingereist, ich brauche Asyl“ - “ ist nicht schlimm. Alle kommen so hier hin.“ „Nein, Nein! Ich bin jetzt gerade angekommen“ „Wie gefällt ihnen Köln?“. „Ich bin kein Tourist, ich bin gerader angekommen, was soll ich tun?“
Ich glaube, der Polizist konnte doch kein Englisch, oder er wollte mich einfach nicht verstehen.
Ich erfuhr, dass ich nach Bochum musste, um Asyl zu beantragen. Leider war der Tag meiner Ankunft der 3. Oktober. Ein Feiertag. Also stand ich vor einer verschlossenen Tür. Am nächsten Tag beantragte ich Asyl und kam in das erste Lager. Meine erste Operation hatte ich im Februar 2023. In Köln konnte ich nach einem Monat wieder ein wenig sehen, nicht wie früher, aber es war großartig. Ich ging zum Arzt und fragte, was man noch tun kann. Er sagte: „Nichts!“ Ich hatte meine Familie und alles zurückgelassen, um wieder sehen zu können. War das jetzt alles? Der Arzt sagte: „Du musst lernen damit zu leben. Trage keine schweren Gegenstände, mach keinen Sport, fahr kein Auto! Dein Zustand ist jetzt stabil, aber vielleicht wirst du doch irgendwann erblinden.“ Ich verließ den Arzt, sah mich um und fragte mich: „Ist das das Ende?“ Aber ich sagte zu mir:

„Mach weiter!“

Im April 2023 kam ich nach Grefrath. Ich ging ein paar Mal zur Augenklinik in Düsseldorf, aber meine Augen wurden nicht besser. Nach etwa einem Monat lernte ich Leute im Jugendzentrum kennen. Ich habe mich für einen Deutschkurs angemeldet, trotz meiner Augen und meiner mangelnden Lust auf alles im Leben. Denn ich sagte mir:

„Mach weiter!“

 Und dann ging ich zu einem anderen Arzt in Düsseldorf. Dort wurde ich untersucht. Ich bekam Kontaktlinsen als Ersatz für meine alte Brille. Früher habe ich drei Prozent gesehen. Jetzt sehe ich 20 Prozent. Meine Lebenseinstellung änderte sich, ich wurde wie ein Kind. Es ist, als würde ich Dinge zum ersten Mal sehen. Wow, Regen! Wow, ein sauberes Auto! Wow, da sind 10 Euro auf dem Boden. Nein, nein, nur ein Scherz.
Alle Leute denken, dass Deutschland uns eine große Wohnung und jeden Tag 500 € gibt. Aber das stimmt nicht. Wenn jemand etwas über eine kleine Wohnung weiß, sag mir Bescheid. Ich bin ein netter Mieter. Danke, dass Sie alle gekommen sind. Danke an Joyce Brinkmann, Julian Göbel, Laura Backes und Moritz Lüfkens und alle Leute, die ich in Grefrath kennengelernt habe.

Danke Baba, danke Mama.

Ich erinnere mich, ich bin allein in Deutschland.

Danke schön!